
Jeder Mensch vor dem Hintergrund seiner eigenen persönlichen und ethnischen Konstitution, ganz individuelle Erfahrungen. Hüther et. al beschreiben sehr anschaulich, aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse, nach denen Menschen die eigenen Erfahrungen sehr individuell verarbeiten. So bilden sich ganz einzigartige neuronale Verknüpfungen und ebenso einzigartige Symptomatiken die wiederum eine Bandbreite an Bewältigungsmustern und – Strategien produzieren. Wenn die so gebildeten neuronalen Netzwerke nun häufig erfolgreich genutzt werden, können diese etabliert und ausgebaut werden. Je früher in der Kindheit solche Reaktionsmuster erworben werden, desto älter und tiefergelegen ist der Bereich des Gehirns in denen diese Muster gebildet und auch gespeichert werden. Später gebildete äußere Hirnareale sind sehr viel komplexer als die älteren, früher entstandenen. Diese Komplexität kann bei schwerwiegenden psychischen Belastungen zu übermäßiger Erregung der benannten Areale führen, so, dass sie nicht mehr funktionieren. In der Regel hilft sich das Gehirn indem, die in früher Kindheit erworbenen Verhaltensmuster, die in den sehr viel stabileren Gehirnarealen abgelegt sind, aktiviert werden. Bei traumatisch erlebten Ereignissen, die je nach Traumatisierung oft sogar immer wieder erlebt werden müssen, versagen auch diese Bewältigungsmuster und eine Art Notfallprogramm wird automatisch aktiviert. Wobei entweder eine, durch den so genannten Smypatikus, der ein Teil des autonomen Nervensystems ist, induzierte Fluchtreaktion erfolgt oder, wenn diese nicht möglich ist, eine durch den Parasympathikus induzierte Erstarrung. Sämtliche Funktionen des Hippocampus und des Frontalhirns, die für das Speichern einer Erfahrung und den dazu- gehörenden Sinnesreiz zuständig sind, sind dabei blockiert. Das Erlebte wird dann fragmentarisch, ohne jeden Zusammenhang, abgespeichert. Die in einer solchen Situation extrem aktivierten neuronalen Netzwerke werden, je größer die entsprechenden emotionalen Zentren im Gehirn aktiviert werden, desto stärker miteinander verknüpft. Zusätzlich werden im limbischen System Angstreaktionen aktiviert und im Stammhirn Körperreaktionen wie: erhöhter Herzschlag und Blutdruck, sowie Körperstarre produziert, was wiederum mit vom präfrontalen Cortex gesteuerten Gefühlen wie: Schuld, Ohnmacht und Hilflosigkeit in Verbindung tritt. Die nun zu einer Art Netzwerk angelegten Verbindungen, können jederzeit durch äußere Schlüsselreize (Sinneswahrnehmungen, Gefühle, Körperreaktionen) reaktiviert (angetriggert) werden.
Analog dazu beschreiben Klinghardt et. al. Traumata als Verletzungen auf körperlicher, emotional-energetischer oder psychischer Ebene die, bleiben sie unbehandelt, zu Blockaden der Informationsverarbeitung im Gehirn führen. Der Zugriff auf Erinnerungen, Emotionen und Intuitionen wird so eingeschränkt, dass traumatische Erlebnisse nachhaltige Wirkungen auf den gesamten Organismus hinterlassen, wozu Schlafstörungen, Ängste, somatische Reaktionen uvm. gehören. Je nach Schweregrad der Verletzung, auch bleibende anatomische Veränderungen im Gehirn, wie das Schrumpfen des Hippocampus (Gehirnareal für das Erinnern und Emotionen), Veränderungen des Hormonhaushaltes, sowie Veränderungen in der Steuerung der Gene. Je früher eine Traumatisierung stattfindet, desto tiefgreifender sind die Auswirkungen, da hierbei direkt die Prozesse während der Hirnentwicklung beeinflusst werden. Dabei wird das Fundament des Gehirns bereits maßgeblich verändert und bildet so die Grundlage für die weitere Strukturierung des Gehirns. Eine fortlaufende Traumatisierung birgt so die Gefahr, dass durch wiederholtes dissoziieren bei Stress, autonome Muster gebildet werden, die zu eigenständigen Teilidentitäten (dissoziative Identitätsstörung) ausgebildet werden. Der Begriff Multiple Persönlichkeit ist hierfür bekannt.
Nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen restrukturiert sich das Gehirn mehr als angenommen. Das bedeutet, dass entstandene Vernetzungen zeitlebens zu neuen Nutzungsmustern umgeformt werden können. Dies ist jedoch ein sehr komplexer, langwieriger Prozess. Und, Je früher die oben benannten Verschaltungen entstanden sind, desto schwieriger ist deren Auflösung. Eine achtsame Vorgehensweise ist hierbei von elementarer Bedeutung, da Retraumatisierungen schnell entstehen können. Traumapädagogik und Traumatherapie sind wirksame Ansätze, um eben jene Umstrukturierungsprozesse im Gehirn einzuleiten.